SmF-Fachtag zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen

25.11.2020

Der SmF-Bundesverband veranstaltete zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November einen Online-Fachtag. 28 Teilnehmer*innen aus verschiedenen Berufsgruppen und Organisationen diskutierten über Präventions- und Hilfemaßnahmen gegen Gewalt und hatten dabei insbesondere Frauen mit migrantischem und muslimischem Hintergrund im Blick.

Für den SmF-Bundesverband war dies eine Fortsetzung seiner Arbeit zum Schutz von Frauen und Familien. Zuvor hatte sich der SmF im Rahmen des Menschen stärken Menschen Programms des Bundesfamilienministeriums durch seine Aktion #savewoman und zahlreiche Informationsveranstaltungen in all seinen bundesweiten Standorten für dieses Thema eingesetzt. Der neu gegründete SmF-Hilfefonds für Frauen in Notsituationen ist ein weiterer Baustein. Der SmF-Bundesverband arbeitet darüber hinaus an der Gründung des ersten Frauenschutzhauses in muslimischer Trägerschaft und der Gründung von Frauenberatungsstellen.

Frauenhaus in muslimischer Trägerschaft ein Muss

„Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem”, sagte Ayten Kılıçarslan, Vorstandsvorsitzende des SmF-Bundesverbandes. Doch seien 81,6% der Opfer von Partnergewalt Frauen. Sie wies darauf hin, dass 71,6% der Frauen in Frauenschutzhäusern einen Migrationshintergrund hätten, wobei Frauen aus muslimischen Ländern besonders betroffen seien. Trotz der 353 Frauenhäuser und 43 Schutzwohnungen deutschlandweit fehlten dennoch jährlich 16.400 Schutzplätze, um den Betroffenen zu helfen. Dennoch seien zuständige Stellen nicht bereit, ein Frauenhaus in muslimischer Trägerschaft zu fördern, mit der Begründung, der Bedarf sei abgedeckt. „Wir haben einen Antrag für ein Frauenhaus gestellt. Wir geben uns nicht mit der Antwort zufrieden, dass es genug Stellen gebe”, sagte sie weiter.

„Gewalt ist kein kulturspezifisches oder Religionsproblem”, so Kılıçarslan, doch auch religiöse Menschen erlebten Gewalt. Kılıçarslan: „Der Mensch scheitert!” Gleichgültig aus welchen Hintergründen, die Betroffenen brauchten adäquate Hilfe. „Hierbei stoßen wir an die Grenzen unserer ehrenamtlichen Hilfe”, sagt die Vorstandsvorsitzende des SmF, „daher möchten wir neue Strukturen mit Hauptamtlichen schaffen.”

Bisherige Aktionen

Die Stellvertretende Bundesvorsitzende des SmF-Bundesverbandes, Halide Özkurt, stellte in der Veranstaltung noch einmal das bundesweite kostenfreie Hilfetelefon gegen Gewalt an Frauen (08000 116 116) und eine Videobotschaft von Bundesfamilienministerin Franciska Giffey zur Kampagne Stärker als Gewalt vor. Sie stellte auch dar, wie wichtig die Aktion #savewoman mit einer Hilfenummer über WhatsApp und der SmF-Hilfefonds für Frauen in Notsituationen seien.

Besonderes Augenmerk auf migrantischen und muslimischen Frauen

Unter Moderation der Sozialpädagogin und angehenden Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Hüda Sağ tauschten die Teilnehmerinnen des Online-Fachtags Erfahrungen und Fallbeispiele aus. Dabei gingen sie auf die besondere Situation von migrantischen und muslimischen Frauen ein. Insbesondere müssten Frauen dabei gestärkt werden, Hürden zu überwinden und dazu Hilfeangebote kennen und in Anspruch nehmen.

Von Gewalt betroffene muslimische Frauen fühlten sich in der Regel allein. Ihnen sei oft die Rolle der Mutter zugewiesen, die die Familie zusammenhalten müsse. Der Druck unter den Angehörigen und in der Gemeinde sei groß, auch bei Gewalt den Ehepartner nicht zu verlassen. Gemeindemitglieder und Imame, die helfen wollten, seien oft überfordert. Dabei kenne die islamische Tradition genug Beispiele von Gewaltfreiheit.

Frauenhäuser und Jugendämter haben ein schlechtes Image

Das Image von Frauenhäusern sei in Migrantenfamilien sehr schlecht. Die Ansicht, Frauenhäuser würden Familien zerstören, sei verbreitet. Hier sei viel Aufklärungsarbeit nötig. Frauen, die Hilfe suchen wollten, befürchteten auch, dass die Kinder vom Jugendamt von der Familie getrennt würden, wenn Gewalt öffentlich würde.

Aufenthaltsrechtliche und finanzielle Hürden hinderten Frauen daran, Hilfe zu suchen. Frauen, die den Weg ins Hilfesystem suchten, könnten sich, bis offizielle Hilfen griffen, nicht einmal das Nötigste leisten. Von Windeln für die Kinder bis Fahrtgeld auf dem Weg zu einem geschützten Ort fehle es bisweilen an allem. Hierfür sei der SmF-Hilfefonds gegründet worden, um Frauen in Notsituationen eine Überbrückungshilfe zu leisten.

Es sei notwendig in Schule, Gemeinde und Familie über Gewalt an Frauen aufzuklären, so eine teilnehmende Lehrerin. Der Prävention und Hilfen bei der Erziehung käme hier eine besondere Rolle zu. Zwar spielten Mütter in der Erziehung eine herausragende Rolle, doch dürfe man Väter nicht von ihrer Erziehungsverantwortung entlassen. Familien müssten dabei unterstützt werden, dass Jungen mangels an anderen Vorbildern nicht später zu Tätern werden. Ehrenamtliche berichteten von ihrer Hilflosigkeit, betroffenen Frauen zu helfen.

Kultursensible Frauenberatung und Frauenhäuser

In Deutschland werde das Thema Gewalt, vor allem an Frauen und Kindern schon seit vielen Jahren behandelt. Daher seien die Menschen im wörtlichen Sinne nicht mehr so sprachlos. In anderen Ländern habe es bisher teilweise nicht so viel Aufklärung zu diesem Thema gegeben. So fehle es den Betroffenen auch an einem Vokabular, sich darüber auszutauschen. Das zeige vor allem die Wichtigkeit muttersprachlicher Präventionsangebote. “Wir wollen das Schweigen brechen”, so Halide Özkurt dazu.

Ein kultursensibler Ansatz sei erforderlich. Das zeige die Erfahrung mit Familien mit migrantischem oder muslimischem Hintergrund deutlich. Hierbei könnten Frauenberatungsstellen und Frauenschutzhäuser in muslimischer Trägerschaft ein wichtiger Beitrag sein. Aber vor allem letzteres gebe es bislang nicht. Diese müssten selbstverständlich unabhängig der Herkunft und Religion für alle von Gewalt betroffenen Frauen offen sein.

Ein Gebet für betroffene Frauen

Emotional wurde es in der sonst sehr sachlich geführten Veranstaltung, als die Stellvertretende Vorstandsvorsitzende des SmF-Bundesverbandes, Halide Özkurt, im Gedenken an die Opfer von Gewalt und insbesondere der Todesopfer ein Gebet sprach. Viele Teilnehmer*innen waren sichtlich berührt.