Der Fastenmonat Ramadan

Das Fasten

Das Fasten gewinnt aktuell durch Diskussionen um Gesundheit und Ernährung wieder an Popularität. Dabei ist das Fasten eine spirituelle Praxis, die universell in allen Religionen seit Jahrtausenden bekannt ist und angewandt wird. In der Art des Fastens unterscheiden sich die Religionen jedoch erheblich voneinander. Im Wesentlichen beziehen sich diese Unterschiede darauf,

  1. auf welche Speisen, Getränke und sonstige Handlungen der/die Fastende verzichtet,
  2. über welchen Zeitraum sich das Fasten erstreckt und
  3. welche zusätzlichen Praktiken während des Fastens die Spiritualität vertiefen sollen.

Zwar ist der Verzicht auf Speisen und Getränke das sichtbarste, aber nicht das einzige Kennzeichen des Fastens.

Auch die Religion des Islam kennt das Fasten. Es gehört sogar neben

  • dem Glaubensbekenntnis (Schahada),
  • der Almosenabgabe (Zakat),
  • der Pilgerfahrt nach Mekka (Hadsch) und
  • dem täglichen Gebet (Salah)

zu den Hauptpfeilern religiöser Praxis, den sogenannten Fünf Säulen des Islam. Insofern genießt das Fasten im Islam eine hohe Priorität.

Der Ramadan

Das Fastengebot bezieht sich auf den Monat Ramadan, dem neunten Monat der islamischen Zeitrechnung, die sich nach dem Mondkalender richtet. Da der Mondkalender kürzer ist als der uns vertraute Sonnenkalender, beginnt der Monat Ramadan jedes Jahr etwa 11 Tage früher als im Vorjahr. Der Ramadan 2019 findet von

  • Montag, 6. Mai bis Montag, 3. Juni

statt. Bei der Berechnung des Mondmonats Ramadan kann es je nach religionsrechtlicher Ausrichtung sein, dass manche das Fasten einen Tag früher beginnen als andere. Das betrifft auch die Berechnung des Ramadan-Festes, mit dem die Fastenzeit endet. 2019 beginnt das

  • Ramadan-Fest am Dienstag, den 4. Juni.

Es dauert drei Tage an. Der Monat Ramadan kann von Jahr zu Jahr unterschiedlich lang sein. In der Regel sind dies 29, seltener 30, aber nie mehr als 30 Tage. Als Bezeichnung für das Ramadan-Fest hat sich auch der Begriff Zuckerfest etabliert, eine fälschliche Übersetzung aus dem Türkischen, wo Zucker und Süßigkeiten mit demselben Wort bezeichnet werden. Das Reichen von Süßigkeiten gehört an den Festtagen zur Tradition. Reichhaltiges Essen gilt an Festtagen als Lohn für die Enthaltsamkeit.

Monat der Barmherzigkeit

Der Ramadan erhält seine besondere Bedeutung auch dadurch, dass in ihm der Überlieferung nach der Koran, das Offenbarungsbuch der Muslime, als Rechtleitung für die Menschen herabgesandt wurde. So wird der Ramadan auch als Monat der Barmherzigkeit bezeichnet, da sich Gott über den Koran den Menschen aus Barmherzigkeit offenbarte. Dieser Barmherzigkeit sollen die Gläubigen dadurch gerecht werden, indem sie selbst in diesem Monat Barmherzigkeit üben.

Der Fastenmonat ist für Muslime eine besondere Zeit der Spiritualität. Darin üben sie äußere Enthaltsamkeit zur Unterstützung der inneren Einkehr und zur seelischen Reinigung. In dieser Zeit sind Hilfsbereitschaft, Versöhnung, Unterstützung von Bedürftigen oder Gastfreundschaft von großer Bedeutung. Umgekehrt achten Fastende auf die Zähmung ihres Zorns, die Vermeidung von Zank oder Missgunst.

Der Verzicht soll die Empathie für die Bedürftigen steigern. Die Spendenbereitschaft ist ein wichtiges Merkmal des Ramadans. Eine besondere Spende ist die sogenannte Fitra-Spende. Sie wird vor Ablauf des Monats entrichtet und ist direkt an Bedürftige zu übergeben. Eltern leisten diese Spende auch im Namen ihrer Kinder.

Spiritualität und zusätzliches Nachtgebet

Zur Spiritualität gehört auch die Suche nach der Nähe zu Gott im Gebet. Das rituelle Gebet (arabisch: Salah, türkisch: Namaz) gilt bei Muslimen als die höchste Form der Andacht (Dhikr). Zu den täglichen Gebeten kommt im Ramadan nach dem Nachtgebet ein weiteres Gebet hinzu, das als Terawih bezeichnet wird. Das Terawih-Gebet beginnt etwa eineinhalb Stunden nach Sonnenuntergang. Fällt der Ramadan in die Sommermonate, beginnt das Terawih-Gebet recht spät. Da dieses Gebet bevorzugt in der Gemeinschaft verrichtet wird, versammeln sich die Gläubigen dafür in der Moschee.

Wie wird im Ramadan gefastet?

Muslime verzichten beim Fasten zwischen der Morgendämmerung und dem Sonnenuntergang auf jegliche Mengen und Form von Speisen und Getränken. Der Verzicht auf Geschlechtsverkehr gehört ebenso zum Fasten. Im Allgemeinen fällt unter den Verzicht jede Form der Zufuhr von Stoffen in den Körper, so auch das Rauchen, aber auch Medikamente oder in der Regel auch Spritzen (zu Spritzen gibt es unterschiedliche Auffassungen in der islamischen Normenlehre). Für Menschen mit entsprechenden Erkrankungen gilt daher die Ausnahme vom Fasten.

Fastende nehmen während des Tages nichts zu sich. Traditionell stehen sie vor der Morgendämmerung zu einem Nachtmahl (Sahur) auf. Nach Sonnenuntergang beginnt das Fastenbrechen (Iftar), das meist im gemeinschaftlichen Abendessen besteht. Traditionell beginnt das Fastenbrechen mit Wasser, Datteln oder Oliven. Der weitere Verlauf folgt unterschiedlichen regionalen Traditionen. Da die Zeit des Fastenbrechens dieselbe ist, zu der auch das Abendgebet beginnt, wird das Essen zuweilen durch das Gebet unterbrochen. Doch für alle gilt (solange keine glaubensrechtlichen Sonderregelungen greifen): Das Fasten endet täglich am Abend und beginnt zur Morgendämmerung wieder neu.

Ausnahmen vom Fastengebot

Alle Muslime, die körperlich und geistig dazu in der Lage sind, unterliegen dem Fastengebot. Dies beinhaltet auch Ausnahmen von der Fastenpflicht. Die Religionsmündigkeit ist eine Voraussetzung für das Fasten im Ramadan. Die Religionsmündigkeit beginnt mit der Pubertät. Kinder vor der Pubertät brauchen nicht zu fasten.

Vom Fasten ausgenommen werden neben Kindern Menschen mit seelischer Behinderung, psychischen und körperlichen Erkrankungen, Reisende auf einem langen Weg sowie Schwangere und stillende Mütter. Auch Menschen, die aufgrund einer Erkrankung in kurzen Abständen kleine Mahlzeiten zu sich nehmen müssen, gehören zu dieser Gruppe. Ebenso brauchen Frauen während der Menstruation und im Wochenbett nicht zu fasten. Die Fastentage sollten jedoch später bei einer Genesung bzw. Verbesserung des Zustandes nachgeholt werden. Ist bei Erkrankungen eine Genesung nicht in Aussicht, sollen jene, die es sich leisten können, als Ausgleich eine Ersatzleistung für jeden nicht gefasteten Tag erbringen, beispielsweise einen armen Menschen für diesen Tag so speisen, dass sein Nahrungsbedarf gedeckt wird.

Das Ramadanfest

Nach 29-30 Tagen des Fastens beginnt das Ramadanfest. Es dauert drei Tage. Dies beinhaltet unter anderem, dass während dieser Zeit das Fasten untersagt ist.

Am ersten Festtagsmorgen gehen die Gläubigen in die Moschee und beten das Festtagsgebet. Es findet kurz nach Sonnenaufgang statt. So sind die meisten Moscheen bereits am frühen Morgen des ersten Festtages überfüllt. Mancherorts muss für viele das Gebet außerhalb der Moschee sogar bis zum Straßenrand verlegt werden.

Es gehen überwiegend die Jungen und Männer zum Festtagsgebet. Vor allem knappe Räume führen dazu, dass wenig Motivation besteht, diese Tradition zu ändern. Doch drängen auch hier immer mehr Frauen mit wachsendem Erfolg auf Veränderung.

Da die Sorge um die Nächsten ein allgemeines religiöses Gebot ist, gilt angefangen von den Älteren der Besuch bei Verwandten, Freunden und Bekannten zu den Festtagsritualen. Es werden dabei vor allem süße Speisen gereicht, die für das Fest vorbereitet werden. Vor allem Kindern werden Süßigkeiten nicht vorenthalten. Diese Besuche dauern meist kurz, um möglichst so viele Menschen wie möglich zu besuchen. Auch den Verstorbenen wird an diesen Festtagen gedacht und deren Gräber besucht.

Zum Festtag werden insbesondere die Kinder beschenkt. Sie bekommen Geld, Geschenke und neue Kleider.

Fasten und Gesundheit

Menschen mit entsprechenden Erkrankungen sind vom Fastengebot ausgenommen. Jene, die körperlich und geistig gesund sind, berichten jedoch von körperlicher und seelischer Erholung. Auch das Gefühl, wieder Gewalt über seinen eigenen Körper zu erlangen und nicht jedem Ernährungsimpuls nachzugeben, wird als wohltuend empfunden. Darüber hinaus führt die innere Einkehr und das sich-selbst-bewusst-sein auch zu einem wohltuenden Selbstbewusstsein. Die gesundheitlichen Vorteile werden auch von Medizinern immer wieder hervorgebracht. Grenzsituationen sind die ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit an heißen Sommertagen, was allerdings problemlos gelingen kann. Doch auch hier gilt die Wahrung der individuellen Gesundheit als Voraussetzung für das Fasten.

Folgen der Zeitgebundenheit von Ritualen und des Tag-Nacht-Rhythmus

Wenn der Ramadan in die Sommermonate fällt, kann es durch den Tag-Nacht-Rhythmus des Fastens zu Umstellungsschwierigkeiten beim gewohnten Tagesrhythmus kommen, der durch festgelegte Unterrichts- und Arbeitszeiten geprägt ist. Die Bedingungen des Alltags erschweren es, individuelle Lösungen zu finden. In der Regel wird der Monat Ramadan mit seinen körperlichen, spirituellen und sozialen Vorteilen als ein Ausnahmemonat angesehen, in dem Entbehrungen hinnehmbar sind.

Kinder im Ramadan

Kinder brauchen nicht zu fasten. Häufig sind es die Kinder selbst, die im Familienverbund einfordern, dabei sein zu dürfen, wenn die Erwachsenen fasten. Das abends spät Aufbleiben, das morgens in der Frühe zum Nachtmahl aufstehen, das Kochen und Backen besonderer Speisen und das Gefühl, dass im Hause etwas Aufregendes im Gange ist, erweckt bei den meisten Kindern Neugierde und das Gefühl, dabei sein zu wollen. Jedoch sind Kinder vom Fasten ausgenommen. Wenn sie jedoch plötzlich nachts am Essenstisch stehen oder abends noch spät mitessen wollen, reagieren Eltern in der Regel nicht mit Strenge. Auch Kinder kurz vor der Pubertät stundenweise mitfasten zu lassen, gehört zu den bekannten Traditionen zur Sozialisation in das muslimische Leben.

Soziale Folgen

Der Ramadan ist durch gemeinsame Gebete in der Moschee und durch gegenseitige Einladungen zum Fastenbrechen und die Wohltätigkeit von Gemeinschaft, Solidarität und Mitgefühl geprägt. Das gemeinsame Fasten verstärkt dieses Gefühl. Es fördert, dass Fastende aufeinander achten und sich mit mehr Behutsamkeit begegnen als sonst im Alltag. Das wirkt sich zuweilen entspannend für die sozialen Beziehungen aus. Auch gehört die Versöhnung unter Zerstrittenen zu den Praktiken des Ramadans. Da dies allgemein bekannt ist, zeigen sich die Menschen im Ramadan auch eher zur Versöhnung bereit als in anderen Zeiten.

Schule, Arbeit und die Fastenzeit

In der Regel bereitet es gesunden, jungen Menschen, die ein geregeltes Leben führen, kaum Schwierigkeiten zu fasten. In der Schulzeit kann es jedoch in erhöhten Lernphasen und vor allem dann, wenn Prüfungen anstehen, zu Anpassungsschwierigkeiten kommen. Je früher am Tag Prüfungen stattfinden, desto höher ist noch die Konzentration. Der Körper schaltet bei voranschreitendem Fasten in den „Sparmodus“ um.

Körperliche Anstrengung, auch Sportunterricht ist möglich, aber vor allem in den Sommermonaten schwierig. Fastende Menschen können sich zwar normal bewegen aber beim Sportunterricht sind anstrengende Übungen eine besondere Herausforderung. Der Schwimmunterricht bringt die besondere Schwierigkeit mit sich, dass Wasser verschluckt werden kann. Dies läuft der Regel, nichts in den Körper einführen zu dürfen zuwider. Hier entstehen im Alltag Dilemmasituationen. Viele Schüler wünschen sich, dass pädagogische Regelungen dem körperlich und seelisch positiv empfundenen Fasten zuträglich sind.

Zusammenleben in Vielfalt

Für Muslime ist es selbstverständlich, dass sie den Erfordernissen des Arbeits- und Schulalltags gerecht werden müssen. Jedoch freuen sich Muslime immer über das Verständnis für die besonderen Umstände, die der Ramadan im Alltag mit sich bringt. Sie honorieren dies dann ihrerseits mit Anerkennung und Sympathie. Dies hilft dem Zusammenleben in einer Gesellschaft der Vielfalt.