Am 29.06.2023 hat der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit seinen 400-seitigen Abschlussbericht zum Thema “Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz” in Berlin vorgestellt. Der Bericht gibt einen umfassenden Überblick über die Situation von Muslimen in Deutschland und zeigt auf, dass Muslimfeindlichkeit nach wie vor ein drängendes Problem in unserer Gesellschaft ist.
Der Expertenkreis, bestehend aus Fachleuten aus Wissenschaft und Verbänden hat in den letzten drei Jahren umfangreiche Analysen durchgeführt, um ein genaues Bild der Muslimfeindlichkeit in Deutschland zu zeichnen. Dabei wurden sowohl quantitative als auch qualitative Daten aufgezeigt und zahlreiche Interviews geführt. Die Ergebnisse des Berichts sind alarmierend: Muslimfeindlichkeit ist in Deutschland weit verbreitet und nimmt in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens unterschiedliche Formen an.
Muslime werden häufig mit Vorurteilen und Stereotypen konfrontiert, die zu Diskriminierung und Ausgrenzung führen. Dazu gehören geschlechterspezifische Zuschreibungen wie „Muslimische Mädchen gelten häufig als unterdrückte Opfer und Jungen als gewalttätig und frauenfeindlich“. Rund 38 Prozent von Befragten stimmten der Aussage zu „Muslimische Frauen sind unterdrückt“ (Janzen/Ahrens 2022: 7–8).
Insbesondere muslimische Frauen seien von vielfältigen Formen der Diskriminierung betroffen, sei es am Arbeitsplatz, in Bildungseinrichtungen oder im öffentlichen Raum. So wird auch berichtet, dass nach der Studie von Weichselbaumer (2016) vom Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), insbesondere in Bewerbungsphasen Frauen, die ein Kopftuch tragen, bei gleicher Eignung und Qualifikation viermal häufiger Diskriminierung erfahren.
Der Bericht zeigt auch auf, dass Muslimfeindlichkeit nicht nur von extremistischen Gruppen ausgeht, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft verankert ist. Vorurteile und Ressentiments gegenüber Muslimen sind in vielen Köpfen präsent und führen zu einer Spaltung der Gesellschaft. Laut Bericht sei die Muslimfeindlichkeit quer durch die Mitte der Gesellschaft verbreitet (vgl. K. Hafez/Schmidt 2015) und nicht allein in einzelnen Bevölkerungssegmenten zu finden. Die Forderungen des Expertenkreises für eine stärkere Sensibilisierung für das Thema und konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit teilen wir aus unserer Perspektive mit. Folgende Handlungsempfehlungen des Expertenkreises gehen aus dem Gesamtbericht insbesondere hervor;
- die Gewährleistung eines staatlichen Schutzes von Muslim:innen im gesamten öffentlichen Raum,
- die Einrichtung eines fachlich breit aufgestellten Sachverständigenrats,
- die Notwendigkeit einer Strategie der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung und Förderung von gleichberechtigter Teilhabe und Repräsentation von Personen mit muslimischen Identitätsbezügen in allen staatlichen Einrichtungen und Handlungsstrukturen,
- den Auf- und Ausbau von Beschwerde-, Melde- und Dokumentationsstellen sowie von Antidiskriminierungs- und Beratungsstellen mit Expertise zu Muslimfeindlichkeit,
- eine fächerübergreifende Überarbeitung der Lehrpläne und Schulbücher, um darin enthaltene muslimfeindliche Inhalte zu streichen sowie
- eine bessere Verankerung des Themas Muslimfeindlichkeit in der journalistischen Selbstregulierung.
Der vollständige Abschlussbericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit 2023 kann hier heruntergeladen werden.