Das Projekt KitaMUTter startete am 16.09.2022 in die dritte und vorletzte Projektphase. Ausgehend von dem immer wiederkehrenden Thema Mut, haben wir uns entschlossen ein philosophisches Gespräch zu diesem Thema anzubieten.
“Mut”, lehrt uns der griechische Philosoph Demokrit (460/459 – um 370 v.Chr.), “steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.” Mut wird im Allgemeinen als eine Form der Selbstüberwindung verstanden. Der Mutige springt über seinen Schatten, überwindet seine Ängste und wächst über sich hinaus. Mut ist sehr subjektiv, denn die eigenen Grenzen werden individuell anders empfunden. Für manche erfordert es Mut vor einer Gruppe zu sprechen oder Probleme anzusprechen, andere empfinden dies als ganz natürlich. Mut ist außerdem ein Ausdruck von Freiheit. Wer etwas wagt, trifft ganz bewusst eine Entscheidung für etwas und damit gegen die eigenen Ängste. So wird Mut zur Selbsterfahrung. An die eigene Grenze zu gehen, sich aktiv mit sich selbst auseinander zu setzen, lehrt uns viel über uns selbst und hilft uns, unsere eigene Individualität auszubilden und reifen zu lassen. Sich eigene Schwächen einzugestehen, für seine Überzeugung einzustehen und sich seiner Umwelt als Individuum mit eigenem Willen und Gefühlen zu zeigen, erfordert Mut.
Im Rahmen des KitaMUTter Projektes haben wir folgendes festgestellt: Muttersein erfordert viel Mut. Ein Kind zu bekommen ist eine große Veränderung im Leben der Eltern. Kommen die Kinder in den Kindergarten erfordert es wieder Mut: Mütter müssen lernen, loszulassen, abzugeben. Für Mütter ist es vielleicht der “erste” Kontakt mit anderen außerhalb ihrer gewohnten Umgebung. Vielleicht fühlen sie sich unsicher und brauchen Mut, auf andere zuzugehen. Sie brauchen Mut für sich und ihr Kind, um sich mit anderen über die eigenen Werte und Weltanschauung auszutauschen.
Mit unserem ersten Workshop “Wir philosophieren über Mut” spürten wir diesen Fragen und Situationen nach. Zwölf Teilnehmerinnen haben sich die Zeit genommen, über ihren Mut zu philosophieren. Eine syrische Teilnehmerin teilte ihre zweifache Fluchterfahrung über das Mittelmeer mit uns. Sich selbst in Gefahr begeben, um seine Träume zu verwirklichen, erfordert sehr viel Mut. Da waren sich alle Teilnehmerinnen einig. Eine weitere Teilnehmerin berichtete über ihre Erfahrungen im Kindergarten und den allgegenwärtigen Druck, den sie verspürt, sich mehr einbringen zu müssen als andere Mütter – Mütter ohne Migrationsgeschichte – und ihren Mut, nein zu sagen. Nein, ich muss mich nicht mehr einbringen als andere. Eine Mutter, die in Kempten aufgewachsen ist, erzählte von ihren Erlebnissen bei der Arbeitssuche mit Kopftuch. Wenige gute und viel schlechte Erfahrungen musste sie machen. Es ist nicht verwunderlich, dass sie viel innere Kraft und Selbstverstrauen brauchte, um für sich einzustehen. Eine Teilnehmerin erzählte, dass Kompromisse eingehen auch mutig sei. Gerade in einer Partnerschaft muss man immer wieder aufs Neue auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Eine weitere Mutter brachte ein, dass es sie viel Überwindung kostet, ihren Kindern bei schulischen Angelegenheiten zu helfen, weil sie sich sprachlich nicht sicher genug fühlt. Wir sehen an all diesen sehr persönlichen Erlebnissen, wie individuell Mut sein kann. Für jede Mutter hält das Leben eigene Herausforderungen bereit, immer wieder, immer wieder aufs Neue, mit Rückschlägen und – hoffentlich – vielen Glücksmomenten.
Vgl. Literatur: Friedrich Weißbach: “Du traust dich ja eh nicht”, in: Philosophie Magazin, Nr. 06, Oktober/November 2022, S. 48-50