Rassistische Realitäten

28.07.2022

Rassismus gehört zum Alltag. Häufig wird Rassismus verharmlost, spaltet dieses Phänomen jedoch das Fundament unserer Demokratie. Rassismus gefährdet den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Rassismus beginnt im Kopf und wächst schnell zu einem gesellschaftlichen und strukturellen Problem. Die Chronik der vergangen Jahre zeigt: Rassismus endet in Beleidigungen, Ausgrenzung und in Gewalt. Und: Rassismus ist ein Problem, das uns alle betrifft – Jederzeit, überall und in jeder Form. Gegen Rassismus können wir nur vorgehen, wenn wir anfangen unser Denken und Handeln zu reflektieren; wenn wir Denkmuster und Strukturen aufbrechen; wenn wir Eintreten für eine solidarische und offene Gesellschaft und wenn wir deutlich machen, dass es für Rassismus keinen Platz gibt.

Als SmF-Bundesverband arbeiten wir mit unseren Mitgliedsorganisationen daran, ein besseres Zusammenleben in Deutschland zu erreichen und präventiv gegen jegliche Form von Rassismus und Diskriminierung zu arbeiten. Ein erster wichtiger Schritt ist es, das Phänomen zu verstehen, um anschließend aktiv entgegenwirken zu können. Am 1. Juli 2022 haben wir anlässlich des Tages gegen antimuslimischen Rassismus mit prominenten Gästen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft über Rassismus und dessen Auswirkungen gesprochen. Um die Sichtbarkeit für das Phänomen zu erhöhen und die von Rassismus und Diskriminierung Betroffenen stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, hatten wir 2021 eine Umfrage gestartet. Die Ergebnisse dieser Umfrage sind nun öffentlich einsehbar. In dieser Umfrage berichten ehrenamtlich arbeitende Pat:innen und Mentor:innen mit eigener Migrationsbiografie von ihren Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung bei sich und ihren betreuten Mentees. An dieser Befragung haben insgesamt 435 Pat:innen ab 14 Jahren in ganz Deutschland teilgenommen und über ihre eigene Erfahrungen und die Erfahrungen von 969 Mentees berichtet.

Die Ergebnisse zeigen, wie tief Rassismus und Diskriminierung in unserer Gesellschaft verankert sind und unserer Gesellschaft Schaden zufügen. Zudem zeigen sie, wie groß die Dimension des Leides sein kann. „Der Ort, an welchem Pat:innen wie auch Mentees am meisten Diskriminierungserfahrungen gesammelt haben, ist die Schule“, heißt es in der Studie „Ermittlung von Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen der Ehrenamtlichen“ des SmF-Bundesverbandes. Die Gründe für Diskriminierung: Leistungsvermögen, Hautfarbe und Sprachkenntnisse. So berichtet eine der Pat:innen: „In der Stadt hat mich ein alter Mann angespuckt, weil ich mit einer Freundin unterwegs war, die einen Kopftuch hatte. Er hat uns angeschrien und meinte, dass wir uns von der Brücke stürzen sollen.“ Eine andere Patin erzählte: „Ich betreue mehrere schwarze Jugendliche, die haben es so schwer in Deutschland. Man sollte definitiv in Deutschland kein Kopftuch tragen und man muss dazu weiß sein, dann darf man auch nicht Mohammed oder Ayse heißen. Sie werden in den Ämtern wie Dreck behandelt, bekommen keine Hilfe. Sie werden beschimpft. Ein Mentee wurde vor mir von einem alten weißen Mann angespuckt, es war unglaublich, wir waren bei der Polizei, was hat es genutzt, nichts. Deutschland muss an sich arbeiten.“

Diesen und weiteren rassistischen Bemerkungen sind die Teilnehmenden der Studie tagtäglich und immer wieder aufs Neue ausgesetzt und das nicht nur in der Schule, sondern auch bei der Wohnungssuche, beim Bewerbungsgespräch, am Arbeitsplatz, bei Behördengängen und  im Alltag.

„Als SmF-Bundesverband nehmen wir die Erfahrungen unserer Zielgruppe ernst und möchten diese in ihrem Umgang mit Rassismus besser unterstützen. Wir werden uns künftig und langfristig dafür einsetzen, dass wir sowohl in unseren Mitgliedsorganisationen als auch bei anderen Migrant:innenorganisationen Antidiskriminierungsstellen und Beratungsstellen für unsere Mitmenschen, die von Rassismus betroffen sind, aufzubauen. Mit dem Aufbau hürdenfreier Anlaufstellen wird es uns gelingen, gegen Rassismus politisch und faktisch besser vorzugehen. Dafür werden wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, die Interessen unserer Zielgruppe in den Gremien zu verfolgen. Dafür müssen wir Solidargemeinschaften innerhalb der Zivilgesellschaft bilden und die Politik und die Medien als weitere Verbündete gewinnen,“ so SmF-Bundesvorsitzende Ayten Kılıçarslan.

Die Studie ist seit heute hier abrufbar.

Zu den Hintergründen des Patenschaftsprogramms: Bisher konnte der SmF-Bundesverband im Rahmen des Programms “Menschen stärken Menschen“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über 6.600 Patenschaften bilden. Seit 2018 konnten 1.157 ehrenamtlich engagierte Menschen als Pat:innen gewonnen werden, die 6.606 Mentees betreuten. Zurzeit sind 654 aktive Pat:innen und 3.498 aktive Mentees verzeichnet.