In einem Interview mit dem Radiosender WDR 5 hat Ayten Kılıçarslan, Bundesvorsitzende des Sozialdienstes muslimischer Frauen, zu erhöhter Wachsamkeit gegenüber Übergriffen auf muslimische Menschen aufgerufen, insbesondere auf kopftuchtragende Frauen. Ihre Religionszugehörigkeit sei bei ihnen besonders sichtbar, was sie häufiger zu Zielscheiben antimuslimischen Rassismus mache, so Kılıçarslan die selbst einen Hijab trägt.
Sie berichtete, dass sie solche Erfahrungen meist in öffentlichen Verkehrsmitteln mache und betonte die Notwendigkeit größerer Sensibilität in der Gesellschaft: „Es ist immer wieder hilfreich, wenn Menschen um uns herum auch ein bisschen wachsamer sind.“
Seit dem Überfall der Hamas auf israelische Zivilisten am 7. Oktober 2023 hätten Übergriffe aufgrund der Religionszugehörigkeit für muslimische Menschen – unabhängig von Geschlecht oder Diversität – zugenommen. Dies bestätigten sowohl Medienberichte als auch die Gespräche mit Betroffenen in den Veranstaltungen und Dienstleistungen des SMF. Ayten Kılıçarslan stellte fest, dass seit diesem Datum vermehrt Menschen mit diesem Thema an den SMF herantreten. Während antimuslimischer Rassismus in einer Beratungsstelle des SMF als geförderter Fall behandelt wird, sei es in allen anderen Mitgliedsorganisationen inzwischen zu einer Querschnittsaufgabe geworden. Oftmals seien sich Betroffene gar nicht bewusst, was sie erleben, da sie zum Schutz eine „Mauer“ um sich gebaut hätten, um nicht tagtäglich psychologisch darunter zu leiden.
Die Bundesvorsitzende riet Betroffenen eindringlich, über ihre Erfahrungen zu sprechen, da dies insbesondere Frauen oft nicht täten. „Die meisten Menschen sind ja nicht islamophob, die meisten Menschen sind nicht islamfeindlich, und deswegen ist eine ganz große Solidargemeinschaft da“, so Kılıçarslan. Sie hob hervor, dass viele Organisationen und zivilgesellschaftliche Akteure den Zusammenhalt mit Muslimen und die Vielfalt in der Bevölkerung schätzten. Daher sollten Betroffene „einfach mal auch darüber sprechen und nicht alles schlucken, weil es wirklich auf Dauer nicht gut ist für die seelische Gesundheit.“
Kılıçarslan ermutigte muslimische Frauen, sichtbarer zu werden und sich nicht in geschützte Räume zurückzuziehen. „Je weniger wir sichtbar werden und mit unseren Ressourcen weniger wahrgenommen werden, desto schlimmer wird es“, befürchtet sie, da negative Beispiele viel schneller im öffentlichen Leben kursierten.
Die Äußerungen von Ayten Kılıçarslan fielen kurz nach der Veröffentlichung der Jahresbilanz antimuslimischer Vorfälle in Berlin durch die Organisation CLAIM. Diese Bilanz zeichnet ein alarmierendes Bild und bestätigt eine dramatische Zunahme von Übergriffen und Diskriminierungen. Dies unterstreicht, wie konkret und spürbar die Auswirkungen der Nahost-Auseinandersetzungen in Deutschland sind.
Hier geht es zum Audio des WDR 5 Morgenecho – Interview mit Bundesvorsitzende des Sozialdienst muslimischer Frauen Ayten Kılıçarslan