Von Paris bis Kabul
Nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau im Februar dieses Jahres, bei dem neun Menschen ums Leben kamen, forderten wir: Haltung zeigen! Gegen Diskriminierung! Gegen Rassismus! Gegen Gewalt! Und nun verloren am Abend des 1. November in Wien vier Menschen bei einem vom IS motivierten Terroranschlag ihr Leben. Zwei weitere terroristische Taten, der eine bei Paris auf den Lehrer Samuel Paty und der andere in der Kirche Notre Dame in Nizza, erschütterten uns ebenso. Alle drei Taten reklamierte dieselbe Terrorgruppe für sich, die auch in Kabul vor wenigen Wochen in einer Schule 20 Schüler*innen ermordete und am 2. November, einen Tag nach Wien, einen Anschlag auf die Kabuler Universität verübte. 19 weitere Student*innen tot. Junge Menschen, voller Hoffnung auf eine gute Zukunft.
Als wir nach Hanau Haltung forderten, war unsere Äußerung politisch. Wir haben uns eingemischt. Wie wir meinen, aus gutem Grund. Schließlich richtete sich der Anschlag von Hanau gegen Menschen, die als Fremde „gelesen werden“. Er richtete sich gegen Migrant*innen, mutmaßlich auch gegen Muslim*innen. Also jene Menschen, die einen Großteil der Zielgruppe unserer sozialen Arbeit ausmachen. Ihre Chancengleichheit und Partizipation in der Gesellschaft gehören zu unseren großen Anliegen.
Das „Muslimisch“ im Namen
Als Sozialdienst muslimischer Frauen verpflichtet uns das Wort „muslimisch“ im Namen unserer Organisation zu einer Haltung, nicht nur dann, wenn Migrant*innen und Muslim*innen Opfer sind. Auch dann, wenn Taten im Namen des Islam begangen werden.
Unsere Sorge gilt jedem einzelnen Menschenleben und dem Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Solange das „Muslimisch“ in unserem Namen steht, haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber verunsicherten Menschen, die an unserem Zusammenhalt, an unserer Gemeinschaft zweifeln. Die an uns zweifeln.
Eine Spaltung unserer Gesellschaft dürfen wir nicht zulassen und müssen unsere gemeinsamen Werte, die Achtung der Menschenwürde, Respekt, Solidarität, Freiheit und Vielfalt gemeinsam schützen. Hierzu bedarf es auch massiver präventiver Maßnahmen, für die wir Verantwortung übernehmen müssen.
Der Verurteilung Taten folgen lassen
Wir verurteilen diese Taten aufs schärfste. Doch allein die Verurteilung ist keine adäquate Antwort eines Sozialdienstes, eines muslimischen Sozialdienstes. Unsere Aufgabe ist es, uns um Menschen zu bemühen. Um die Sorgen und Nöte aller Menschen in dieser Gesellschaft, gleichgültig welcher Herkunft, Hautfarbe, Weltanschauung, sexueller Orientierung oder Geschlecht. In unserer täglichen Arbeit muss sich unsere Haltung zeigen, die sich gegen jede Art von Diskriminierung und Rassismus richtet, gleichgültig ob sie von rechts, links oder religiöser Gesinnung kommt.
Werden wir uns in Zukunft bei jedem Terroranschlag äußern müssen? Nein. Aber wir werden an jedem einzelnen Tag, auch an den Tagen, an denen keine Terroranschläge verübt werden, um den Zusammenhalt in unserer freiheitlichen Gesellschaft bemühen. Gegen Diskriminierung! Gegen Rassismus! Gegen Gewalt! Wir werden weiter Haltung zeigen. Für Dich. Für uns.