Frauen kein Spielball gesellschaftlicher Moralvorstellungen

14.11.2022 | Aktionen und Veranstaltungen, Nachrichten, Verband

Vor dem Hintergrund der Proteste im Iran seit September 2022 haben wir im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit verschiedenen Expertinnen ein Gespräch zum Thema Selbstbestimmungsrechte der Frau und gesellschaftlicher Machtstrukturen geführt.

Untereinander fehlt es an Solidarität

„Inwieweit sind wir bereit uns mit allen Frauen zu solidarisieren“, meint Dalal Mahra, Gründerin des Medien-Startups „Kopftuchmädchen“. Der Widerstand der Frauen im Iran werde in Deutschland auf zwei Ebenen diskutiert. Einmal finde im Zeichen des antimulimischen Rassismus Instrumentalisierung durch rechte Gruppen statt, die das iranische Regime gleichsetzen mit dem Islam. Auf der anderen Seite geht es um die Selbstbestimmung der Frau und feministische Ansätze, die weg wollen von erzwungenen Kleiderordnungen. Mahra plädiert dafür, dass sich Frauen solidarisieren, unabhängig von ihrem Standpunkt. Mit „Kopftuchmädchen“ setzt sich die Sozialpädagogin dafür ein, die Lebensrealität von muslimischen Frauen sichtbarer und hörbarer zu machen und dass diese selbstbewusster mit ihrer religiösen Identität umgehen.

Religionen lassen viel Raum für eine freie Auslegung

Aus theologischer Perspektive gebe es keinen Zwang im Glauben, erläutert die Theologin Sümeyra Kiliç-Bellikli. „Dadurch religiöse Pflichten aufzuerlegen, widerspricht dem Islam und auch der Lebenswelt eines Menschen.“ Jedes Individuum entscheide für sich selbst, ob es der religiösen Pflicht nachgehe oder nicht. Kilic-Bellikli sieht das Problem vor allem in dem patriarchalen System, dass hier die Denkrichtungen vorgebe. Die Interpretation der religiösen Quellentexte, die als Stütze dieses patriarchalen Systems fungieren, sind hierbei das Grundproblem. Bewusst werde viel falsch oder zu Gunsten der eigenen Ansicht interpretiert und so Diskussionen, wie die um weibliche Kleidungsgebote beziehungsweise -verbote entfacht.

Frauen werden noch immer fremdbestimmt

Laut Ayten Kılıçarslan, Bundesvorsitzende des Sozialdienst muslimischer Frauen, werde der Islam noch immer über die Rolle der Frau und deren Erscheinungsbild in der Gesellschaft definiert. Es ginge vor allem um patriarchale Machtverhältnisse, die durch das längst überfällige Aufbegehren von Frauen ins Wanken geraten. Kılıçarslan fordert ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass der Wille der Frau und ihr Recht auf Selbstbestimmung zentral sein sollten. „Wir solidarisieren uns mit den Frauen, die für ihr Recht kämpfen. Das ist unsere Pflicht.“

Sebiha Küman, Sexualpädagogin und Therapeutin beleuchtet die Rolle des Umgangs mit der eigenen Sexualität in dieser Debatte. „Sexualität ist ein Tabuthema.“ Dadurch das Frauen muslimischen Glaubens ein negativ geprägtes Verhältnis zu ihrem Körper und der eigenen Sexualität als etwas sündhaftes haben, falle es diesen Frauen schwer eine Selbstliebe und ein Selbstbewusstsein zu entwickeln. Eine selbstbestimmte Sexualität müsse endlich als normaler Bestandteil des Lebens von Frauen auch muslimischen Glaubens anerkannt werden.

Als SmF-Bundesverband stehen wir für die Rechte aller Frauen auf ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit ein. Frauen dürfen nicht länger als Spielball gesellschaftlicher Moralvorstellungen missbraucht und gegeneinander ausgespielt werden. Aus diesem Grund solidarisieren wir uns mit allen Frauen, die für diese Ziele kämpfen. Frauen müssen endlich gehört und zum selbstbestimmten Handeln ermutigt werden. Hier sehen wir auch die muslimischen Gemeinden in der Verantwortung einen Beitrag zu leisten und klar Position zu beziehen.