Mehr Normalität in Bezug auf das Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst

06.02.2023

An Berliner Schulen darf weiblichen Lehrkräften das Tragen eines Kopftuches nicht länger pauschal verboten werden. Damit wird das umstrittene Neutralitätsgesetz in Frage gestellt, in welchem auch das Kopftuchverbot verankert ist. Das Neutralitätsgesetz hatte Lehrinnen und anderen Pädagoginnen an öffentlichen Schulen das Tragen religiöser Symbole untersagt. Einer Lehrerin muslimischen Glaubens sprach das Gericht eine Entschädigung von rund 5.159 Euro zu, weil sie wegen ihrer Religion diskriminiert worden sei.

Ayten Kılıçarslan, Vorsitzende des SmF-Bundesverband mahnt die Politik dazu keine negativen Signale an die Gesellschaft und Privatwirtschaft zu senden. Das Tragen eines Kopftuches solle nicht als regelwidrig angesehen werden. „Die individuellen Entscheidungen von Frauen dürfen nicht in Frage gestellt werden. Als Wohlfahrtsverband spüren wir die Diskriminierung, die die öffentliche Debatte um das Kopftuchverbot bei unserer Zielgruppe auslöst.  Wir sehen, dass die Verbote im öffentlichen Dienst zu Diskriminierungen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt führen. Die Diskriminierungserfahrungen spüren die Betroffenen auch im Alltag.”

So bewertet der SmF-Bundesverband die Aufhebung des Neutralitätsgesetztes als nicht ausreichend, aber als einen Schritt in die richtige Richtung. Für uns als Wohlfahrtsverband stellen sich darüber hinaus die folgenden Fragen: Wie gestaltet sich die Umsetzung der Aufhebung in den anderen Bundesländern? Wie können wir wirkungsvoll gegen solche Verbote vorgehen? Es sind unscheinbare Bemerkungen im Alltag, die Betroffenheit auslösen. Diskriminierung ist ein Thema, das immer und überall präsent ist und Aufarbeitung benötigt. Diskriminierung beginnt bei der offensichtlichen Zurückweisung aufgrund des Kopftuches, das gutgemeinte Kompliment über die Sprache oder Beschimpfungen aufgrund der Herkunft, Hautfarbe oder Religion.

2021 hat der SmF-Bundesverband zahlreiche Haupt- und Ehrenamtliche der sozialen Arbeit dazu aufgerufen, persönliche Botschaften für den Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier zu formulieren, welche anschließend in einem Mosaik der Vielfalt zusammengetragen und an den Bundespräsidenten herangetragen wurden. Der am häufigsten geäußerte Apell auf die Frage „Welche Veränderung wünschst du dir?“ richtete sich gegen die Diskriminierung von Frauen mit Kopftuch: „Ich wünsche mir keinen Rassismus, weder in der Schule noch auf der Arbeit. Mein Kopftuch bedeckt meine Haare und nicht mein Gehirn.“ Hier zeigt sich die Sorge, nicht als Individuum angesehen zu werden, obwohl dieses Land mit seinen Möglichkeiten anderes verspricht: „Deutschland ist ein demokratisches Land, deshalb möchte ich im Job mein Kopftuch tragen.“ Auch hier ist die Bereitschaft erkennbar, selbst etwas zu leisten, wenn am Ende die Anerkennung steht: „Ich möchte besser Deutsch können, damit ich einen guten Ausbildungsplatz bekomme. Dabei wünsche ich mir, dass mein Kopftuch keinen Ablehnungsgrund darstellt.“

Im selben Jahr hat der SmF-Bundesverband im Rahmen einer Studie ehrenamtliche Pat:innen und Mentees des Patenschaftsprojektes “Patenschaft- Praxis-Qualifizierung (PPQ) befragt. Diese gaben einen Einblick in ihre Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung. Die Befragten berichteten von Ausgrenzung, Beleidigungen in der Öffentlichkeit, Benachteiligung in der Schule, am Arbeitsplatz, der Wohnungssuche und Angriffen auf offener Straße. Nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erleiden vor allem Frauen, die ein Kopftuch tragen, überdurchschnittlich häufig Diskriminierung im Arbeitsleben. Diese Annahme bestätigte auch die Studie.

Weder das Tragen noch das Ablegen eines Kopftuches sollte Frauen auferzwungen werden. Aus diesem Selbstverständnis heraus hat der SmF-Bundesverband auch die Proteste im Iran und anderen Ländern betrachtet. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit verschiedenen Expertinnen führte der SmF-Bundesverband ein Gespräch zum Thema Selbstbestimmungsrechte der Frau und gesellschaftliche Machtstrukturen und forderte ein stärkeres Bewusstsein für Frauen und ihr Recht auf Selbstbestimmung.